Bildbeschreibung: „Bitte!“, 1979

Bitte!“, Februar 1979

Beitrag zu den Katalogen „R. Hanke“, 1979 und

„R. Hanke – mehrschichtig., 1980

Das Thema „Bitte!“, wie ich es im Dezember 1977 mit seiner absurden Maskenhaftigkeit – dadurch letztlich auch Auswechselbarkeit – sowie seiner ansatzweisen Mehrschichtigkeit dargestellt hatte, schien mir wert, mit den seitdem gesammelten Erfahrungen und einem weitergehenden formalen Repertoire noch einmal gestaltet zu werden. Ich war überzeugt, daß sich sowohl die persönliche Seite das Erscheinungsbild des „Gesichtes“ – als auch das Unpersönliche, Vergesellschaftete – der Mensch als Karte, als Individuum ohne Individualität, als Massenobjekt – eindringlicher gestalten lasse.
moderne Kunst Triptychon Handzeichnung Spielkarte Mensch Maske Antlitz Umformung ungewöhnlich realistisch figurativ ausdrucksstark emotional doppelbödig Kombination Assoziation Täuschung kontrastreich karikativ auswechselbar Zuordnung schwarzweiß Bildgleichnis Umdeutung Verwandlung Phantasie Fiktion Gesellschaftskritik Realismus
Zuerst einmal versuchte ich, das stark karikative Element durch eine genaue Binnenzeichnung zu bannen und „echt“ erscheinen zu lassen. Die Fratze sollte dem Betrachter entgegentreten im Kleide des Wirklichen. Sie sollte ihm glauben machen: Den kenne ich doch, aber den kann es doch gar nicht geben; das ist zwar nur Bild, aber es könnte auch Wirklichkeit sein. Diesen zwiespältigen Eindruck habe ich neben einer Präzisierung der Züge durch das Herauswölben des Menschen aus seinem Blatt Papier in Richtung auf den Betrachter erzielt – hervorgerufen in erster Linie durch die Überschneidungen und die Schattenwürfe. Das „Eigenleben“, das der „Mensch“ im ersten Blatt es Triptychons bekam und absolut für sich beanspruchen konnte, weil er als einziger in der Lage war, das von fremder Hand verschnürte Bündel Papiere zu überbrücken, wird langsam im zweiten Blatt nivelliert. Hinter im deuten sich andere Individuen, Genossen an. Sie drängen sich nach vorn. Der Stapel scheint langsam in Unordnung zu geraten, sich aufzulösen. Der Einzelne verliert an Bedeutung, die Masse gewinnt Eigenleben. So sehr, daß im dritten Blatt eine ordnende Hand eingegriffen hat und die „Individuen“ schön in der senkrechten und waagerechten in Reihen anordnete. Die Mensch-Teile wurden mit Büroklammern zu einem Ding zwischen Wäscheleine und Aktenordnung verkettet, lustigem Weiße-Riese-Weiß und Bürokratenstaub. Sie drängen jedoch trotzdem nach vorn, andere nach hinten. Mehr als sie wohl dürfen. Jeder versucht jeden zu übertölpeln – und jeder bleibt doch jeder – gleich. Jeder versucht seine Individualität anzupreisen: Greif zu! Bitte. Häng Dir unser Gesicht um! Wir haben noch mehr Schichten darunter. Werde wie Wir! Reihe Dich ein in unsere Reihen! Es ist zwar schon voll hier, aber es ist noch die Lücke da. Du willst Dich nicht einfügen? Macht doch nichts. Stör Dich nicht dran. Wir sind doch alle in solch einer Zwangsjacke. Aber wir haben trotzdem Vitalität – scheinbar. Wir lassen uns doch nicht lösen, wie der es da hat mit sich geschehen lassen. Aber auch bitte nicht zur Seite sehen! Nicht zurückschauen. Denn da ist ein Loch, und dahinter gähnende Leere.

r. hanke, 1980