Beitrag zum Katalog „R. Hanke“, 1979
Schon während meines Studiums war ich entgegen der in Braunschweig derzeit allgemein vertretenen Einstellung zu der Überzeugung gekommen, daß das Erkennen und damit die Erkenntnis nur relativ sein können. Was wir für richtig halten, könnte auf fehlerhaftem Sehen und damit Erkennen beruhen. Der Mensch läßt sich nun mal irritieren – bei aller Bemühung um Objektivität. Und wenn schon das Erkennen subjektiv fehlerhaft sein kann, weshalb sollte dann die darauf aufbauende Erkenntnis richtig sein?
Ich glaube, daß sich für diesen Problemkreis die Malerei oder benachbarte Techniken mit ihrem umfassenden Vermögen der Darstellung von Raum und Materie am ehesten eignen. Da es sich um ein Grundproblem handelt, suchte ich nach allgemein erfaßbaren, überzeitlichen Symbolen. Ich glaube, sie im Himmel (Raum) und Fels (Materie) als absoluter Polarität und letztem Grund der Erfahrung gefunden zu haben, die sich auch in ihren spezifischen Stimmung und Veränderung am eindeutigsten und allgemeinsten nacherleben lassen. Unter dem Einfluß des zweiten Problemkreises begriff ich die Natur jedoch immer weniger als „Ding an sich“, sondern stärker als erlebbare, gemachte und letztlich (vom Menschen) entleerte. So erklärt sich auch das immer stärker in den Vordergrund tretende Schwarz (auch als Bildgrund), das sich mit ähnlicher Bedeutung auch im zweiten Problemkreis wiederfindet. Neben diese überzeitlichen Symbole treten in neuer Zeit immer stärker Zahnräder, Rollen – einfache, von jedem erlebte Maschinenteile, deren Gewalt sogar schon sprichwörtlich geworden ist – und Schaltkreise – undurchsichtige, bestimmende Machtfaktoren.
In meinen Zeichnungen ergab sich wie von selbst der Mensch in seiner Verstrickung in die ihn umgebende und in ihm existierende Wirklichkeit als zentrales Problem. Ich benutze selten den Menschen als Ganzes, weil das alte humanistische Ideal vom Individuum als Ganzem und Absolutem zwar für mich ihre Bedeutung nicht verloren hat, in unserer Gesellschaft aber ihren Inhalt. Der Mensch bleibt als gesteuerte Restsubstanz übrig. Diesen “Rest“ suche ich in Wesentlichem wiederzufinden – meistens sind es die Hände. Sie scheinen mir oft losgelöst vom Menschen ein unbeobachtetes und unkontrolliertes Leben zu führen – und dabei sprechen sie so deutlich, deutlicher als die kontrollierte Maske der Mimik.
r. hanke, 1979