Essay: Arbeitsthesen

Beitrag zum Katalog „mehrschichtig“, 1992

moderne Kunst ungewöhnlich Acrylglasobjekt Skulptur Licht-Schatten Komponente Element standardisiert austauschbar normiert Modul transparent komplex Modifikation monochrom Kontrast kombiniert Struktur Relation Zahl Transformation Umdeutung Zuordnung Überlagerung mehrschichtig Raum Individualität mehrdeutig Realität Konzeptkunst​ Es ist für mich das wichtigste – und das einzige im wesentlichen logisch nachvollziehbare – Merkmal der Malerei, dass der Mensch in ihr und durch sie in der Lage ist, sich nicht begrifflich und Nicht-Begriffliches auszudrücken. moderne Kunst unorthodox Handzeichnung Mensch Garderobe Schein Umformung modifiziert realistisch figurativ Parodie karikativ ausdrucksstark emotional doppelbödig kombiniert anonym austauschen reduziert assoziativ Illusion schwarzweiß Metapher Bedeutung Umdeutung Gesellschaftskritik Realismus Erst durch sie kann er Voraussetzungen schaffen für ein Begreifen nicht-begrifflicher Inhalte seiner Zeit, indem er seine Zeit umgedeutet darstellt, damit Welt schafft und Fragen aufwirft. Dabei sehe ich mich nicht isoliert, quasi atomisiert und selbstgenügsam, sondern eingebunden in die Geschichte, ihre Traditionen, ihr Zeichenrepertoire mit allen seinen Bedeutungsschichten, die mir erst meine Bedeutung geben. Als Maler sehe ich mich aufgerufen, aktuelle Fragen weiter zu denken, die existentiell Menschsein betreffen. Deshalb ist die Form für mich nicht künstlerisch „befreiter“ Selbstzweck, sondern sie tritt in Beziehung zu Inhalten, als deren Träger sie letztlich für den Betrachter wieder existentiell bedeutsam werden kann. Künstlerische Auseinandersetzung ist demnach bereits im Werden Auseinandersetzung mit außerkünstlerischen Inhalten, für mich mit Inhalten, die nicht ursprünglich Form sind, die jedoch als Frage in der Zeit angelegt sind.
auswechselbar anonym digital vernetzt uniform Komplexität Komponente Modul Modell Raster Reihung System Struktur Technik Transformation Norm Typisierung Standardisierung Technik Variabilität Differenzierung Modifikation Imagination Assoziation Metapher Zeichenrepertoire Informationsgesellschaft Realität Realismus

Als ein wichtiges Merkmal heutiger Auseinandersetzung mit Wirklichkeit sehe ich die Strukturierung und Segmentierung menschlichen Erkennens und damit Denkens an. Dieses deutete sich bereits früh in der Spezialisierung der Fachwissenschaften an, die zunehmend ihren Gegenstand in jeweils eigener Sprache und in eigenen Modellen zu beschreiben versuchten. Das Objekt löste sich immer stärker, je nach der betrachtenden Disziplin, in unterschiedliche abstrakte Zeichen auf, die letztlich das Objekt vertreten, an seine Stelle treten. Diese werden wiederum in strukturierten Zusammenhängen gespeichert.

moderne Kunst Handzeichnung unkonventionell intuitiv schwarz-weiß monochrom unbunt reduziert abstrakt kryptisch assoziativ mehrdeutig wandelbar Zuordnung Struktur Transformation Manipulation Bedeutung Umdeutung Symbol Zeichen Umformung Information Interpretation Intuition Inspiration Denken Logik Wissenschaft KonzeptkunstEs ergeben sich Denkmodelle von Wirklichkeit, die sich – aufgrund ihres Abstraktionsgrades – in wechselseitigen Bezügen und verändernden Kontexten umkodieren lassen. Das Ding verbirgt sich nicht nur hinter seinen Abstraktionen, es wird oft erst in dieser Fiktion virulent – man erinnere sich an die notwendigen und gebräuchlichen Zeichensysteme.

moderne Kunst ungewöhnlich unorthodox Tableau Licht-Schatten Acrylglas Baustahl Modul Segment Raster Element Kreissegment standardisiert austauschbar normiert variabel Typisierung transparent komplex Modifikation schwarz-weiß monochrom Kontrast Kombination Struktur kryptisch Chiffre Überlagerung mehrschichtig Raum Ebene Konzeptkunst Der Gegenstand als unverwechselbare, unauflösliche Einheit ist verschwunden, bestenfalls lebt er noch in den Nischen verschiedener Theoreme, und natürlich – er lebt, existent neben und vor der ihn repräsentierenden Fiktion. Der Gegenstand wird von mir also nicht mehr, unabhängig von seiner Existenz in der Realität, gedacht als geschlossene Einheit mit nur für ihn typischen Zügen, sondern ich sehe ihn, repräsentiert durch die Denkmodelle, im Schnittpunkt verschiedener Theoreme.

Da diese sich wiederum als Struktur darstellen, als Einzelelemente in systematischer Zuordnung, bekommt das Einzelne nach meiner Auffassung seine Unverwechselbarkeit nicht aufgrund spezifischer, nur für ihn gültiger Merkmale, sondern durch eine besondere – innerhalb des Ablaufs von Raum und Zeit allerdings einmalige – Überlagerung allgemeiner Merkmale, die als Teile größerer, allgemein gültiger Zusammenhänge gedacht werden. Immerhin ist der einzelne Gegenstand auch im Modell nicht als einzelnes gedacht, sondern es wird versucht, einzelne Aspekte der Gesamtheit in ihrer Allgemeingültigkeit zu erfassen und diese darzustellen.

moderne Kunst Lichtspiel transparent Modul Segment Raster Partikel Komponente Element Kreissegment normiert variabel Variation seriell abstrakt reduziert standardisiert austauschbar komplex monochrom Modifikation kombiniert Ordnung Relation Folge Code Modulation Verwandlung Umformung Überlagerung mehrschichtig Raum Ebene Konzeptkunst

 

zeitgenoessische-kunst-kuenstler-r.hanke-bedeutung-symbol Die einzelnen Modelle und in ihrer Folge auch die enthaltenen Zeichen sind zwar auf Wahr-Nehmung hin angelegt, jedoch auf eine, die sich selbst genügt und die Dingwelt, auf die sie verweist, den Sinnen zu entziehen versucht. In den Hintergrund tritt dabei allerdings oft, dass nicht nur mit einer Übersetzung in Zeichen entscheidende Aspekte der Wirklichkeit ausgeklammert werden, sondern dass die Zeichen selbst und mit ihnen die auf sie verweisenden Bedeutungen geschichtlichen Wahrnehmungs- und Wandlungsprozessen unterworfen sind. Somit ist die Wirklichkeit, wie sie uns in den Zeichen entgegen tritt, zwar eine mehrfach gebrochene, allerdings gleichzeitig die einzig relevante. Das Denken in abstrakten Zeichen scheint mir somit – auch in der Kunst – das eigentlich Realistische zu sein, denn es allein vermag jetzt noch die Wirklichkeit beizukommen, da es sie sowohl repräsentiert als auch sie zu beherrschen in der Lage ist.

moderne Kunst unkonventionell virtuos Temperamalerei Molekülsystem Modul Analogie kryptisch mystisch seriell normiert standardisiert modifiziert variabel unbunt starkfarbig Segmentierung komplex Struktur Raster Zeichen kombiniert vielschichtig Überlagerung Relation Modifikation Transformation assoziativ mehrdeutig Allerdings gebiert die Flut der Zeichen keineswegs einen höheren Grad an Information über die Dingwelt. Indem diese weitgehend präformiert und standardisiert sind, repetieren sie lediglich bereits Ent-Sinn-lichtes insofern, als dass das unmittelbar die intendierte Aussage Transzendierende, das in-sich-selbst nicht Fassbare des Zeichens, sein – möglicherweise symbolischer – Wert in Anbetracht des Strebens nach Objektivität der Wahrnehmung nach Möglichkeit bereits entzogen wird. Allerdings könnte er es in seiner Fähigkeit, aus sich die Seinssphäre zu transzendieren, sein, der wieder auf menschliche Grundbefindlichkeiten zurückverweist, Macht verdeutlicht und somit Sinn-stiftend wirkt. Entsprechend versuche ich in meiner Arbeit, Verknüfungssysteme zu erarbeiten, in denen die verschiedenen Zeichensysteme in ihren Differenten nicht kollidieren, sondern sich ergänzen zu Welt-Bildern, in deren Ausformung der Bezüglichkeit der Seinsebenen ich in der Lage bin, nach Nicht-wahr-Genommenem zu suchen und in der Komplexität der reduzierten Konstituenten wieder Welt-Bezug sinn-lich zu machen.

moderne Kunst Lichtspiel transparent Acrylglas Modul Segment Raster Komponente Element seriell reduziert standardisiert austauschbar normiert variiert komplex monochrom Modifikation kombiniert Struktur Systematik Relation Zahlenfolge überlagert mehrschichtig Raum Ebene Täuschung Inspiration assoziativ mehrdeutig Konzeptkunst Auch wenn der Gegenstand nicht mehr als isolierbares und fest umrissenes Einzelnes erscheint, sondern in der Mehrschichtigkeit der Überlagerung unterschiedlicher Strukturen neu zu deuten ist, geht es nicht um eine Auflösung, Beliebigkeit von Bildordnungen – das entspräche nicht den Grundzügen menschlichen Denkens und Erkennens. Wenn schon das Naturobjekt gedeutet und in seinem Wert eingeschätzt wird, ist es für mich zwingend, dass das Bild als bereits vom Menschen Vorgegebenes diesem Bedürfnis entgegenkommt. Bereits das Einzelzeichen ist bedeutungshaft aufgeladen, sei es aus persönlicher Erfahrung oder tradierter Symbolik, kann demnach als Wahrnehmungs- u./o. Abbildungsmöglichkeit von Aussagefacetten eines Gegenstandes. Gedacht und damit in ihrem Ausdruckswert verdichtet werden. Die Simultaneität der verschiedenen Zeichen zielt entsprechend auf eine umfassendere Zuordnung von zuvor Disparatem oder gar Heterogenem zu einem neuen Denkbaren. Es zielt damit auf Neu-Deutung von Bekanntem, ist also gedacht als Hilfestellung zur Welt-Sicht.

r. hanke